Wenn Popkultur auf Sinnsuche trifft, bleibt der Hammer besser in der Werkstatt

Lieber einen Hammer um den Hals, als vollkommen behämmert.

Lieber einen Hammer um den Hals, als vollkommen behämmert.

Autor: Michael P.

„Das ist mein Hammer – und ich bin kein Rassist!“ Über diese merkwürdige Aussage stolperte ich unlängst in dem sozialen Medium Tiktok. Dort hatte sich ein Trend entwickelt, daß Kanalinhaber ihren Mjölnir-Kettenanhänger in die Kamera halten und oben zitierte Worte möglichst bedeutungsschwanger in die Kamera predigen. In meinen Augen hätten sie auch sagen können „Das ist mein Hammer – und draußen ist es kälter als nachts“ oder „Das ist mein Hammer – und das Pferd frisst keinen Gurkensalat“. Aber hier offenbart sich natürlich das tiefsitzende Verlangen des gemeinen Biodeutschen, sich erwünscht - im Sinne des angenommenen politisch-sozialen Mehrheitsduktus - zu verhalten. Gestandene Kerle mit langen Bärten, Runen-Tätowierungen und einer Waffensammlung an der Wohnzimmerwand, die Ragnar Lodbrok vor Neid erblassen ließen, entblöden sich nicht – ohne Not und offensichtlich sogar unaufgefordert – den Anpassungs-Kotau zu vollziehen. Soweit kein ungewöhnliches Phänomen in der Endphase der BRD; derlei autochthone Unterwürfigkeit lässt sich an zahllosen Stellen beobachten. Jetzt ist es aber so, dass ich selbst auch seit vielen Jahren einen Thorshammer an einer Kette um den Hals trage und dass dies viele meiner Freunde und Mitstreiter tun. Natürlich bleibt es eine persönliche Auslegung, ob man den Mjölnir streng als religiöses Zeichen betrachtet, damit eine weltanschauliche Stellungnahme abgibt oder sich primär als Angehöriger einer Szene ausweist. Aber losgelöst von den eigenen Beweggründen kann man leider nicht von der Hand weisen, dass der Hammer des germanischen Donnergottes im Herzen der globalen Popkultur angelangt ist. Kinofilme, TV-Serien, Comics, Romane, Computerspiele, Bekleidung, Musik, Schmuck, Körperkunst, Spielzeug, Bettwäsche – die Liste ist vermutlich endlos. Die nordische Mythologie wird zum Selbstbedienungsladen für Sinnsuchende sowie zum hippen Gegenentwurf des mosaischen Mainstreams für kontrollierte Rebellen und ähnelt damit einer DDR-Blockpartei. Wobei von einer Dominanz realer, christlicher Werte in dem von Verfall gezeichneten Nihilismus unserer Tage auch keine Rede mehr sein kann. So verschwimmt alles in Beliebigkeit. Wir degradieren unsere Götter auf reines „Fandom“, welches in der spirituellen Untiefe von Star Wars oder Harry Potter versandet. Die Grenze zwischen seit Jahrtausenden kultiviertem Mythos und konstruierter Fiktion verschwimmt vollends. Walküren oder Space Marines? Egal, Hauptsache es röhrt. Und so beliebig diese Form von Neuheidentum ist, so beliebig sind offensichtlich auch deren Anhänger. Es sind im Grunde Laiendarsteller, die sich in ihrer Phantasie in die Rolle des kernigen Wikingerfürsten flüchten, den sie bei Netflix gesehen haben. Markige Sprüche über Walhalla oder Odins Wölfe inklusive. Das ändert aber nichts daran, dass sie Witzfiguren und Sklavenseelen sind und bleiben. So sehr sie unsere Vorfahren nachzuäffen versuchen, so wenig haben sie deren Art und Charakter verstanden. Welcher „echte“ Wikinger - oder allgemeiner indo-arische Ureinwohner Nordeuropas - hätte sich in vorauseilendem Gehorsam in den Staub geworfen, um sich von einem lächerlichen Vorwurf seitens frecher Besatzer zu distanzieren? Zumal diese Neo-Paganen wenn überhaupt im Hier und Jetzt Opfer von Rassismus werden dürften, der von migrantischen Clans und deren imperialistischem Herrschaftsanspruch ausgeht. Somit verkommt das weinerliche „Nicht-Rassist-Sein-Wollen“ zu einem jämmerlichen Ausdruck von Schwäche und Unterlegenheit, welcher dem nordischen Wesen im Kern widerspricht. Ich sage es nicht gerne, aber der gewaltaffine nordafrikanische Straßenapotheker dürfte in seiner toxischen Maskulinität wohl noch eher Gnade vor dem Blick eines historischen Wikingers finden, als diese zu lang gestillten LARPer. Es bleibt die freie Entscheidung eines Jeden, welche Insignien er sich umhängt. Aber wer allzu nah am Wasser gebaut ist, sollte den Hammer doch besser in der Werkzeugkiste belassen und lieber den Todesstern aus Lego für 800 Euro nachbauen. Allen anderen empfehle ich für den nächsten Tiktok-Trend: „Das ist mein Hammer – ich tue recht und scheue Niemanden!“