Die solidarische Nation (Klaus Kunze)

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Autor: Michael P.

Um die beiden Pole Soziales und Nation drehen sich die Überlegungen des Autors Klaus Kunze. Der Rechtsanwalt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur jüngsten Diskussion um rechte Begriffe. Zu oft verharrt die Rechte auf der Oberfläche. Sie benennt Dinge nur plakativ ohne sich die Arbeit zu machen, diese zu ergründen. Auf diese Weise kopiert sie aber nur allzu häufig den Beiß- und Empörungsreflex ihrer politischen Gegner, ohne deren ideologischer Verbohrtheit eine fundierte Weltanschauung entgegen zu stellen, die auch einer scharfen, rationalen und analytischen Kritik standhält. Diese Zeiten haben sich geändert. An vielen Stellen entsteht eine neue, deutschfreundliche Intelligenzbewegung, die nicht aus den Elfenbeintürmen Parteien-finanzierter Hochschulbetriebe entlang vorgegebener Denkkorridore propagiert, sondern die sich frei und ungebunden entfaltet – ohne finanzielle oder karrieristische Interessen und daher nur der Wahrheit und dem akademische Erkenntnisgewinn verpflichtet. In dieses aufstrebende Milieu reiht sich „Die solidarische Nation“ ein.

Das Werk ist in einem überwiegend unaufgeregten Duktus verfasst scheut aber inhaltlich keine heißen Eisen. Sorgfältig befasst sich Kunze mit der zeitgenössischen, vorsätzlichen Zersetzung des Volksbegriffes. Er bettet dies in eine umfangreiche Abhandlung zur Entstehung des Nationalismus-Begriffes ein. An späterer Stelle beleuchtet er das beklagenswerte Phänomen der völkischen und gesellschaftlichen Selbstzerstörung aus einer psychologischen Perspektive. Geschickt und schlüssig zieht er hier die Parallele zwischen individueller und kollektiver Geisteskrankheit. Die Auflösung des gewachsenen Volkes in immer marginale Splittergruppen bei gleichzeitiger gezielter Flutung der ethnischen Konsistenz durch Fremdstämmige weist in der Tat klare Merkmale einer pathologischen Schizophrenie auf. Der zentrale Begriff des Buches lautet Solidarität. Mit einer Akribie, die dem Leser ein gewisses Konzentrationsvermögen abfordert, nähert sich der Verfasser der Definition von Solidarität aus immer neuen Blickwinkeln.

Zunächst fokussiert er den anthropologischen Kontext und knüpft ein Band von der frühmenschlichen Geschichte über die Sippen und Stämme bis zur traditionellen Kernfamilie, welche nach seiner Auffassung der wesentliche Bezugsrahmen für solidarisches Handeln waren. Solidarität ist in einer organischen Gemeinschaft der entscheidende Überlebensvorteil. Per Definition stößt deren Reichweite an natürliche Grenzen. Diese setzt Kunze – sicher im Konsens mit der breiten deutschfreundlichen Bewegung – bei der Ebene des Volkes. Die Verpflichtung der gegenseitigen Fürsorge bis hin zur Opferbereitschaft kann nur dort gedeihen, wo ein hohes Maß an Ähnlichkeit und – im übertragenen Sinne – Verwandtschaft zwischen Individuen besteht. Globale Solidarität macht der Autor als Hirngespinst aus, welches liberale Kapitalisten wie Kulturmarxisten gleichermaßen bemühen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Es sei ein historischer Fehler der Rechten gewesen, die soziale Frage zu vernachlässigen, ist Kunze überzeugt. Man habe dieses Feld kampflos der Linken überlassen. Die spezifisch deutsche Hysterie, die dem entgegenbrandet, der die Worte National und Sozialismus in nachbarschaftlicher Nähe verwendet, hat das Politikfeld so nachhaltig vermint, dass es vom rechten Standpunt aus zunächst tiefgepflügt und neu bestellt sein will. Hierbei spielt das Staatsverständnis eine Rolle, welches der Verfasser in einer Balance verortet, deren Pendel weder zum raubtierkapitalistischen Nachtwächter, noch zur orwellschen Autokratie linker Prägung ausschlagen darf.

Den Liberalismus macht Kunze – wie auch schon Yoram Hazony in seinem viel beachteten „Nationalismus als Tugend“ – hier als größten Menschheitsfeind aus. Minutiös begründet er seine Einschätzung und demaskiert den Mythos der maximalen individuellen Freiheit als ein System, welches wenige astronomisch begünstigt und die überwiegende Mehrheit in abgestufte Sklaverei bannt. Mit der Linken geht Kunze weniger hart ins Gericht, zumindest hinsichtlich einiger linker Gedanken von vor 1945. Er sieht hier prinzipiell das Potential linke und rechte Standpunkte unter dem Schirm einer nationalen Solidarität zu versöhnen. Dies gilt aber explizit nicht, für heutige linke Agitatoren, die er wie gesagt wahlweise als Schizophrene oder verkappte Turbokapitalisten ausmacht.

„Die solidarische Nation“ ist ein kluges Buch, das vor allem durch seine große Gründlichkeit besticht, die sich beispielsweise in der Zitation und im Umgang mit Quellen niederschlägt. Eine Lektüre für Einsteiger und Leser ohne jegliches Durchhaltevermögen ist es hingegen weniger. Zuweilen hätte Kunze seine Ideen über die verschiedenen Kapitel stärker bündeln können. So hätte er zum einen ungewollte Redundanzen vermieden und hätte die Anschlussfähigkeit komplexer Gedankengänge erleichtert. Wer aber ein wenig Mühe nicht scheut, dem bietet dieser Debattenbeitrag zahlreiche wertvolle, zuweilen überraschende aber stets nachvollziehbare Impulse.