Agora Ausgabe 6 – Soziologie und Tradition
Autor: Michael P.
Die wissenschaftliche Betrachtung menschlicher Gesellschaften ist ein Feld, welches nahezu ausschließlich von linker Seite bestellt wird. Von der Frankfurter Schule bis zu Lehrstühlen für Genderwissenschaften dominiert eine Haltung, die im tiefsten Wesenskern destruktiv gegenüber allem Gesunden und natürlich Gewachsenen ist. Mit ihrer 6. Ausgabe leistet die Agora Europa einen wertvollen Beitrag, diesem linken Narrativ eine differenzierte und kluge rechte Position entgegen zu stellen. Endlich findet sich hier eine Auseinandersetzung mit soziologischen Modellen und Definitionen, die es in dieser Form seit Kriegsende nicht gegeben haben dürfte. Das macht das vorliegende Blatt zur vielleicht wichtigsten Veröffentlichung unter den bisherigen Periodika.
Zentral steht hier der Volksbegriff, den Rechte zwar sehr gerne bemühen, sich aber in den seltensten Fällen wirklich damit beschäftigen. Es geht um die Frage nach dem Wechselverhältnis zwischen Volk und Gesellschaft. Bedingen sich diese, weisen sie nur Schnittmengen auf oder schließen sie sich sogar gegenseitig aus? Die Autoren spüren der Antwort hierauf bis in die griechische Antike nach, reflektieren die moderne Staatswerdung seit der französischen Revolution und folgen der Spur bis in die verhasste Moderne, vor der nur die radikale Abwendung Heil verspricht. Es ist das prägende Merkmal der Agora Europa, das sie im Kanon ihrer Artikel Raum für sehr kontroverse Meinungen bietet, die teils im deutlichen Widerstreit miteinander um eine Deutungshoheit ringen. Man nimmt es dem Leser nicht ab, sich eine eigene Sicht zu erarbeiten und daraus eine Position abzuleiten. Vielmehr bietet man ihm ein immer wieder erstaunlich breites Spektrum an, welches gleichwohl nicht den Boden einer lebensbejahenden, völkischen Weltanschauung verlässt. Dabei gilt, dass der Duktus gut verständlich und angenehm lesbar bleibt, ohne an Schärfe und Tiefe Einbußen zu erleiden.
Es sei an dieser Stelle allerdings eingeschränkt, dass die leichte Zugänglichkeit nicht für den Text zu Systemtheorie und Totalität gilt. Dieser erschließt sich nur bei sehr konzentrierter und anspruchsbereiter Lektüre. Zum Abwechslungsreichtum trägt unter anderem der rechtswissenschaftliche Exkurs von Dr. Björn Clemens bei, der sich dem Volksbegriff von einer ganz eigenen Perspektive nähert. Regelrecht spirituell und transzendent liest sich der finale Text von Anatolij Seller, der nicht weniger als das Sein selbst in den Mittelpunkt seiner Betrachtung rückt. Metapol-Frontmann Peter Steinborn liefert in gewohnt souveräner Manier zwei Beiträge, in denen er eine neue Gesellschaftsordnung entwirft und der Rolle der Persönlichkeit innerhalb der Rechten nachspürt. Herzstück dieser Ausgabe ist ein umfangreiches Interview von Herausgeber Alexander Markovics mit dem russischen Publizisten und Philosophen Alexander Dugin über dessen jüngstes Buch. Dugin erläutert hierin grundlegende Prinzipien der europäischen Geistesschule und wie diese die politischen Systeme der Gegenwart prägen. Zu diesem Punkt erlaubt sich der Rezensent ein persönliches Wort. Man mag die Person Dugin als sehr ambivalent wahrnehmen. Es ist völlig legitim, seine aktive Rolle binnen der russischen Intelligenzia kritisch zu hinterfragen. Aus diesen Gründen aber eine Auseinandersetzung mit seinem philosophischen und soziologischen Wirken abzulehnen und die Agora Europa sogar aktiv dafür anzufeinden, dass sie hierfür einen Rahmen bietet, ist grundverkehrt. Im Gegenteil – man wird nicht zum Russenstusser und man fällt auch nicht den nationalistischen Kameraden in der Ukraine in den Rücken, wenn man den eigenen Horizont um die Gedanken eines Mannes erweitert, der unabhängig seiner tagespolitischen Verortung unbestritten ein Vordenker und Geistesgroßer ist. So etwas tun nur Linke.