Meinung oder Haltung?

Zustimmung, Akzeptanz oder Gegenrede?

Autor: Michael P.

Der anhaltende Krieg in der Ukraine entfaltet seine zerstörerische Wirkung immer stärker im deutschfreundlichen Lager. Kameraden und Freunde stehen sich unversöhnlich gegenüber. Ein Riss, dessen jeweilige Exponenten stur ihrem Narrativ folgen. Hier der vom US-Imperialismus und seinen EU-Bütteln provozierte Befreiungsschlag des Völkerfreundes Putin. Dort die neo-stalinistische Kriegsmaschine, die rücksichtslos einen souveränen Staat zertrampelt. Ein Dilemma, welches kluge und weniger kluge Köpfe in der deutschen Rechten hinlänglich analysiert haben. Mir bereitet dies erheblichen Verdruss – sowohl im persönlichen Austausch, als auch im übergeordneten Diskurs. Wie konnten wir uns nur so derart entzweien und aufreiben? Wie kann die Wahrnehmung der Geschehnisse so auseinanderklaffen? Warum gewichten wir die Glaubwürdigkeit von Quellen jeweils nur danach, ob sie uns keine kognitiven Dissonanzen bereiten? Kurzum – wieso scheitert jede Seite exakt an dem, was sie dem Gegenüber vorwirft – namentlich einer möglichst differenzierten Bewertung und Auseinandersetzung in Anbetracht einer völlig überbordenden Informationsflut?

Ich möchte den Versuch wagen, „laienpsychologisch“ die Dynamik zu erklären und darauf aufbauend meine eigene Position herzuleiten. Mir scheint es, dass viele patriotische Kommentatoren nicht mehr zwischen einer Meinung und einer Haltung unterscheiden können. Nach meiner Auffassung ist es vergleichsweise einfach sich eine Meinung über einen Sachverhalt zu bilden – etwa den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Es bedarf keiner wesentlichen Investition, um sich aus den kursierenden Narrativen zu bedienen und daraus etwas zu stricken, welches dann mit Innbrunst in die Welt posaunt wird. Eine Meinung benötigt keine weltanschauliche Basis. Sie muss auch nicht einer Gegenargumentation standhalten. Diese wird in der Regel ignoriert. Und wenn das überhaupt nicht mehr funktioniert, weil die Widerlegung stichhaltig ist – beispielsweise im Fall der flachen Erde – dann passt man so eine Meinung auch schnell mal an.

Meine Meinung könnte jetzt also sein, die Nato hat Russland ohne Not über Jahre in diesen Konflikt getrieben. Putins ausgestreckte Hand haben Brüssel und Washington Mal um Mal ausgeschlagen. Die Ukraine ist ohnehin nur ein Kunstprodukt, die Bevölkerungsstruktur ist sehr heterogen ebenso die Verteilung der verschiedenen Muttersprachler. Im Donbass geschehen seit 2014 – von der westlichen Öffentlichkeit ignoriert – Kriegsverbrechen gegen die autochthone Mehrheit. Und diese pro-ukrainischen Freischärler sind neonazistische Verbrecher der schlimmsten Sorte, mit denen sich ein anständiger Patriot nicht gemein machen darf.

Oder

Ich würde der Vorstellung anhängen, dass die Ukraine sehr wohl ein eigenständiges Volk darstellt mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Die russische Invasion ist ein ebenso brutaler wie unnötiger Kriegsakt, der Putins zaristischen Großmacht-Phantasien entspringt. Und die Belange der ukrainischen Freischärler und Nationalisten verlieren für mich nicht ihre Legitimität, weil der degenerierte Westen in diesem Stellvertreterkrieg deren Partei ergreift. Ich folge nicht der Logik, dass der Feind meines Feindes, mein Freund ist und demaskiere Putin als Gegner des Abendlandes, der seine multi-ethnischen und multi-religiösen Horden ohne zu Zögern in die Schlacht wirft. Ein rücksichtsloser Despot, der sein eigenes Volk unterdrückt und ausbeutet. Ein Verbrecher der mit Sicherheit kein Interesse daran hat, nationale Kräfte in Europa zu schützen.

Beide skizzierten Meinungen lassen sich mühelos begründen. Eine vernünftige Annäherung scheint nicht in Sicht. Die dritte Position, der man gegenwärtig begegnet, ist allenfalls Desinteresse, was vielleicht sogar noch schlimmer ist. Wie ist also zu verfahren, wenn die Meinungsbildung so willkürlich erscheint? Hier greift für mich die Haltung. Im Gegensatz zur Meinung ist die Haltung fest im subjektiven Bewusstsein verankert. Sie dient nicht vorrangig dazu, nach außen zur Schau getragen zu werden, sondern wirkt primär nach Innen. Sie ist das Ergebnis eines jahrelangen, mühsamen Prozesses; einer politischen Menschwerdung des Individuums. Sie ist häufig nicht opportun und muss im Extremfall unter Opfern verteidigt werden. In ihrem Kern stehen wenige, unverrückbare Grundsätze, welche unabhängig von zeitlichen Bezügen gültig sind. Es sind jene roten Linien, hinter die der Einzelne unter keinen Umständen zurückweicht. Kindesmissbrauch ist ein plakatives Beispiel, bei dem sich – hoffentlich – eine überwältigende Mehrheit darüber einig ist, wie die einzig vertretbare Haltung aussieht. So eindeutig liegt die Sache im vorliegenden Konflikt nicht, dennoch mag es helfen, die eigene Haltung zu ergründen. Für mich persönlich bedeutet das, dass ich mich als Nationalisten verstehe. Die friedliche Koexistenz freier, intakter Völker ist das Ideal, welchem ich folge. Nur der Nationalismus trägt der Unterschiedlichkeit und Einzigartigkeit von Völkern Rechnung. Nur er erkennt, dass es ihren Wert und ihre Schönheit zu schützen gilt. Tritt also ein Nationalist für die Belange seines Volkes ein, so findet er grundsätzlich meine Solidarität. Denn er handelt in einer Weise, die meiner Haltung entspricht. Das gilt für den Tamilen in Sri Lanka ebenso wie für den Basken in Spanien oder eben auch den Verteidiger des ukrainischen Volkes.

Eine zweite Säule meiner Haltung besteht darin, dass ich ein ethnozentrisches Menschenbild hege. Das bedeutet, dass ich zwar alle Menschen als gleichwertig achte – unabhängig ihrer Herkunft, dass ich aber zugleich mich mit manchen mehr verbunden fühle als mit anderen. Und das ist nicht zufällig, sondern folgt dem biologischen Muster der Ähnlichkeits-Solidarität, sprich – je mehr ein Menschenschlag ethnisch, kulturell, sprachlich, historisch, räumlich meinem eigenen Volk ähnelt, desto größer ist meine Verbundenheit mit diesem. Darin sehe ich keine Herabwürdigung, sondern allenfalls eine positive Diskriminierung, die ich im Übrigen selbstverständlich jedem anderen auf dem Planeten in der gleichen Weise zugestehe. Daraus folgt nun, dass mir europäische geprägten Kämpfer in diesem Krieg in der Tendenz näher stehen, als die – zumindest in Teilen – multiethnischen Kombattanten, die sich aus dem interkontinentalen russischen Riesenreich rekrutieren.

Eine dritte Facette meiner Haltung besteht darin, dass Recht eines jeden anzuerkennen, sich gegen einen Angriff zur Wehr zu setzen. Das Prinzip der Selbstverteidigung greift sowohl individuell, als auch kollektiv. Und auch wenn unterschiedliche Lesarten existieren, wer hier wen zuerst attackiert hat, so überwiegen nach meinen vorsichtigen Erkenntnissen die Indizien dafür, dass die prorussischen Kräfte den initialen Aggressor darstellen. Somit leiten mich drei Haltungsstränge zu der Konsequenz, dass meine Sympathie, meine Solidarität und meine Unterstützung hier nicht Putins Russland gelten kann, sondern den nationalistischen Kräften, die sich ihm entgegenstellen. Das ist einfach eine Haltungsfrage. Es bedeutet aber nicht, dass ich nicht eine sehr differenzierte Meinung über die Regierung in Kiew und ihre Hintermänner habe. Dass ich die Rolle der Nato nicht äußerst kritisch sehe und dass mir die macht- und energiepolitischen Schachzüge der Amerikaner verborgen bleiben. Zu all dem habe ich eine Meinung. Aber meine Haltung wiegt am Ende schwerer.