Hafensänger auf der Durchreise

Schlaff und gereitzt oder doch nur traurige Clowns?

Schlaff und gereitzt oder doch nur traurige Clowns?

Autor: Michael P.

Nein – Philip Schlaffer und Axel Reitz sind keine Verräter! Sie waren kriminell, saßen mehrere Jahre in Haft. Auf Schlaffers Kerbholz gehen Drogendelikte, Menschenhandel, schwere und gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Brandstiftung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Betrug und vermutlich vieles mehr. Für das Wenigste ist er je zur Rechenschaft gezogen worden. Bei dieser Verbrecherbilanz kann Reitz dann doch nicht ganz mithalten. Beide eint aber überbordendes Geltungsbedürfnis, pathologischer Narzissmus und eine mutmaßlich traumatischen Minderwertigkeitskomplexen geschuldete Egomanie.

Vor allem aber haben sie dieselbe Karriere eingeschlagen: Sie sind von Beruf Aussteiger, was heißt, sie tingeln zu Schulen und Stiftungen, Parteien und Vereinen, um landauf, landab gebetsmühlenartig ihre eigene Vita wiederzukäuen. Da gruselt es die braven Gutmenschen sicher tüchtig, wenn der von Kopf bis Fuß tätowierte Schlaffer im offenen Hawaii-Hemd mit norddeutschen Zungenschlag Räuberpistolen von der Küste herunterleiert wie ein Hafensänger auf Sankt Pauli. Der Nazi-Kram kommt am besten an. Der bauernschlaue Schlaffer hat daraus ein offensichtlich lukratives Geschäftsmodell fabriziert, dessen Herzstück sein YouTube-Kanal ist. In buchstäblich endlosen Folgen seziert er dort jede Facette seiner verabscheuungswürdigen Biographie. Allein die Wiedergabeliste „Kameradschaft Werwolf“ umfasst bislang 50 Episoden. Seit geraumer Zeit hat sich der um Aufwandsneutralität bemühte Philip jetzt auf sog. Reaction-Videos verstiegen, sprich, er fläzt sich daheim in den Sessel, lässt irgendeine Doku laufen und quasselt dazu. Um noch weniger Arbeit zu haben und sich gar nicht mehr vorbereiten zu müssen, holt er sich dann gern kleine Experten wie den eingangs rudimentär erwähnten Axel Reitz mit ins Boot. Letzterer erledigt dann im Prinzip die Kommentatoren-Arbeit, während der stets rauchende und Bonbons-lutschende Schlaffer vor sich hindämmert, ab und an Bagatellen hereinrufend. Über die Sache mit den Bonbons solle man sich bitte nicht lustig machen, er hätte nach eigenen Angaben als Junge auf dem Bolzplatz immer so herumgebrüllt, dass jetzt die Stimmbänder ganz angegriffen seien.

Das Konzept ist einträglich, generiert Aufrufe und der Mitschnitt wird dann später maximal monetarisiert. Zudem wirbt der Geläuterte ununterbrochen um finanzielle Unterstützung für sein wegweisendes Wirken. Reitz freut sich ebenso, weil er seine kanarienvogelbunten Anzüge endlich einmal nicht länger nur seinem Schäferhund präsentieren kann. Aus seinem Pulheimer Eiche-Rustikal-Domizil – liebevoll ausstaffiert mit Leo-Print-Kissen – salbadert der kleine Gernegroß in den Äther und freut sich über jede menschliche Regung. Anfang April haben sich die beiden Galgenvögel das Projekt Multikulti trifft Nationalismus von Frank Kraemer und Nana Domena vorgenommen. Heraus kam die zu erwartende Anhäufung von Lügen, Unterstellungen und manipulativer Hütchenspieler-Argumentation. Frank nahm sich der Sache in einer ausführlichen Reaktion an und zeigte sich gesprächsbereit. Wenig überraschend waren Schlaffer und Reitz weder auf eine gerechte Diskussion aus, noch an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Franks weltanschaulichen Positionen interessiert. Sie wollten einfach nur das Zerrbild vom hässlichen Nazi bedient wissen. Es folgte dann die Fortsetzung ihres Reaction-Videos, bei dem die Chat-Moderatoren schon ordentlich ins Schwitzen kamen, um alle kritischen Anmerkungen und Nachfragen umgehend zu zensieren. Am Ende war definitiv klar – hier ist kein Dialog gewünscht. Das könnte schließlich das Ende ihrer Geschäftsgrundlage bedeuten. Insofern ist Frank wohl in der Tat gut beraten, seine Schaffenskraft lieber schöpferisch aufzuwenden und seine metapolitische sowie mediale Arbeit fortzuführen. Dankenswerter Weise sprang Joachim Sondern noch einmal in die Bresche, um sachlich und freundlich das zweite Sülz-Epos zu zerpflücken. Allein für den Umstand, dass er über Stunden der beiden Logorrhoe lauschen musste, gebührt ihm Schmerzensgeld.

Was lernen wir daraus? Der Werdegang Schlaffers ist ein guter Gradmesser für die fortgeschrittene Zersetzung unseres Zusammenlebens. Auch wenn dieser Text satirische Elemente aufweist, geht es nicht primär darum, die Person zu beleidigen. Wie sollte das auch gehen? Auf welche Weise gedenkt man, einen Mann zu beleidigen, der sich damit brüstet, eine Prostituierte von einem Knastkumpel „gekauft“ und diesen dabei sogar noch finanziell übers Ohr gehauen zu haben. Mir fällt, ehrlich gesagt, nicht ein, welche Verbalinjurien hier noch Schaden anrichten könnten. Darum geht es also nicht. Es geht darum, aufzuzeigen, wie absurd und krank es ist, so eine Person zu hofieren und alimentieren. Dies ist ein Vorwurf, der wohlgemerkt nicht so sehr gegen Schlaffer zielt. Dieser macht nur, was er immer schon gemacht hat: skrupellos Vorteilsnahme. Nein – der Vorwurf richtet sich gegen das System aus staatlich subventionierten Institutionen und öffentlich-rechtlichen Medien, die keinerlei Berührungsangst aufzeigen und den – immerhin hinsichtlich der eigenen Abgründe transparenten – Schlaffer bedenkenlos besetzen. Dass Schlaffer selbst noch nach seinem Ausstieg seinen Freunden in den Rücken fällt, belegt das Beispiel des Kanals Islamistenjäger.

Es scheint eine massenpsychologische Sehnsucht nach diesem Typus „verlorener Sohn“ zu geben. Über die Gründe für jenes Phänomen lässt sich vorzüglich spekulieren. Wenn einer so demonstrativ abschwört und zu Kreuze kriecht, ist das für den Mehrheitsmenschen vielleicht ein Trost im Angesicht der eigenen Haltlosigkeit. Sicher spielt auch der Nimbus des Gesetzeslosen eine Rolle – nur bitte immer schön kontrolliert. Womit man keinen Umgang findet, ist ein Mann wie Frank Kraemer, der sich selbst treu bleibt, der gradlinig seinen Weg geht, sich dabei ausdrücklich auch weiterentwickelt, jedoch ohne deshalb mit sich zu brechen. Frank Kraemer konstituiert ein fürwahr gefährliches Vorbild. Eine Sorge, die als Subtext auch bei Schlaffer und Reitz immer mitschwingt. So jemand lässt sich nicht anleinen und in die sozial gewünschte Norm pressen. Er lässt sich auch nicht korrumpieren und kaufen – unvorstellbar für Schlaffer.

Lasst sie machen! Soll sich Schlaffer weiter an dem verwesenden Kadaver dieses Systems fettfressen. Und dann fällt ab und an auch mal ein Bröckchen für Reitz ab. Wer solchen Gestalten auf den Leim geht, wer sich – völlig unabhängig von der eigenen Weltanschauung – von diesen Charakteren blenden lässt, hat nichts anderes verdient. Der darf gern wie bei „Matrix“ die blaue Pille schlucken. Denn Schlaffer und Reitz sind vieles – aber sie sind keine Verräter. Ein Verräter ist jemand, der ein bestehendes Loyalitätsverhältnis missachtet und der den Wertvorstellungen, denen er sich verpflichtet hat, nicht nachkommt. Ein Verräter braucht also per definitionem einen Wesenskern: Er muss zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal etwas Hehres empfunden haben, um dieses aktiv hintergangen haben zu können. Dieses spreche ich Schlaffer und Reitz ab, waren diese vom ersten Atemzug an nur mit sich selbst, ihrer Gier und ihrer Großmannssucht im Bunde. Diese beiden Gesellen haben keine größere Sache verraten, weil sie nie Teil einer größeren Sache waren.